Spielerisches, Schöpferisches, Rituelles, Freigesetztes und Glühendes. Der Zyklus 23/24 URSPRUNG ging der unbändigen Energie des schöpferisch Neuen nach, das sich seinen Weg sucht und dem sich niemand in den Weg stellen kann.
Ursprung –
Zyklus 23⁄24
Quadro Italiano

Spielerisches, Schöpferisches, Rituelles, Freigesetztes und Glühendes. Der Zyklus 23/24 URSPRUNG ging der unbändigen Energie des schöpferisch Neuen nach, das sich seinen Weg sucht und dem sich niemand in den Weg stellen kann.
| Nummer | Titel | Verfasser:innen | Kategorie | Veröffentlichungsdatum |
|---|---|---|---|---|
| 1 | Quadro Italiano | CD | ||
| 2 | Emilio Pomàrico im Gespräch | Film | ||
| 3 | Impressionen | Fotos |



Ein Dirigent, der komponiert – ein Komponist, der dirigiert: Emilio Pomàrico ist dem Klangforum Wien seit Jahrzehnten verbunden und hat dem Ensemble ein Konzert auf den Leib geschrieben und ein Schlüsselwerk des immer noch allzu sehr unterschätzten Niccolò Castiglioni durch eine Bearbeitung zugängig gemacht. Luciano Berio als etablierter Wegbereiter der zeitgenössischen Musik in Italien vervollständigt dieses „quadro italiano“.
17.03.2024, Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
Das sechste Zykluskonzert 23/24 stand ganz im Zeichen von Emilio Pomàrico, einem langjährigen Weggefährten des Ensembles. Neben zwei Stücken, die (auch) die Handschrift des Italo-Argentiniers tragen, breitete Pomàrico zudem eine Partitur des Avantgarde-Altmeisters Luciano Berio auf seinem Pult aus. Seine 1967 geschriebene Sequenza VI hat Berio noch im selben Jahr zu Chemins II (su Sequenza VI) umgearbeitet, indem er der ursprünglich solistischen Viola eine Partie für neun weitere Instrumente an die Seite stellte. So treten die Tremolo-Akkorde des Soloinstruments in einen spannungsreichen Dialog mit dem Ensemble. Dass es sich bei dem Stück nicht zuletzt um ein Experimentierfeld der Instrumentation handelt, zeigt dessen Folgegeschichte: Berio arrangierte Chemins II später auch für Viola und Orchester (Chemins III), für Bassklarinette und Orchester (Chemins IIc) sowie für Orchester ohne Soloinstrument (Chemins IIb).
Instrumentationsfragen prägen auch den drauffolgenden Programmpunkt: ein im Vorjahr (2023) von Pomàrico gefertigtes und auf die Möglichkeiten des Klangforum zugeschnittenes Arrangement der Morceaux Lyriques (1982) von Niccolò Castiglioni. Der Musikwissenschaftler Joachim Noller macht im vielschichtigen Schaffen des Italieners, mit dem Pomàrico seit den 1980er Jahren befreundet war, drei Fluchtlinien aus: Klanglichkeit, Spiel und das Lyrische. Letztgenanntes Moment findet sich nicht zufällig auch im Titel der sieben Stücke von Castiglioni wieder, das auf Edvard Griegs zehn Hefte umfassende Lyrische Stücke (1963–1901) anspielt. In seinem Arrangement orientiert sich Pomàrico sorgfältig an den klanglichen Ideen, die bereits in der Originalfassung für Oboe und Orchester angelegt sind: Die ersten Momente der Morceaux Lyriques gehören einem Duo für die Oboe, dessen Grundmotiv sich aus einem langgezogenen Halteton mit daran anschließendem flottem Staccatolauf zusammensetzt, sowie das konterkarierend einwerfende Klavier. Im dritten Stück sind unter anderem rasche Flageolett-Melodien in den Streichinstrumenten zu hören; das fünfte „morceaux“ ist geprägt von polyrhythmischem Gewimmel. Zitathaft aufblitzenden tonalen Versatzstücken, auf die der Anti-Dogmatiker Castiglioni in seinen Werken immer wieder zurückgreift, begegnet man im vierten sowie im letzten der Stücke. Der Vorab-Blick in die Partitur des Arrangements macht nicht zuletzt neugierig darauf, wie sich das Akkordeon in Castiglionis klanglichen Kosmos einbringen wird.
Zum Abschluss des „Quadro Italiano“ dirigierte Pomàrico schließlich die Uraufführung einer Eigenkomposition: ein rund dreißigminütiges Konzert für 24 Instrumente (2023). Der Zusatz Paralipomena a Caractères (1964) di N. Castiglioni eröffnet dabei erneut eine Verbindungslinie zu Niccolò Castiglioni und zwar explizit zu dessen Orchesterwerk Caractères (1964): Pomàrico verrät, dass er sich in seiner Komposition „auf ein kleines Fragment von Caractères konzentrierte – eine Sequenz von 15 Tönen unmittelbar zu Beginn des Stücks“. Dieses Ausgangsmaterial verarbeitet Pomàrico in einer kompositorischen „Exercise in Style“: „Ich lasse diese musikalische Saat aufgehen, sich verzweigen und als eigenständige Komposition erblühen, mit Reflexionen, Argumenten und Digressionen, gefolgt von kontrastierenden Passagen – um nicht zu sagen: streitbaren Inventionen.“ In seinem Konzert geht Pomàrico zudem einer grundlegenden ästhetischen Fragestellung nach: „Ist es nach wie vor möglich, etwas Neues zu sagen – und vielleicht notwendig, das mithilfe von stilistischen Klischees zu tun, die in unserer Kultur bereits Geschichte sind?“

Paul Beckett (Viola), Evan Hulbert (Kontrabass), Emilio Pomàrico (Komponist und Dirigent), © Cornelia Neuwirt/Klangforum Wien

© Cornelia Neuwirt/Klangforum Wien

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Solist Markus Deuter (Oboe), © Cornelia Neuwirt/Klangforum Wien

Solist Paul Beckett (Viola), © Cornelia Neuwirt/Klangforum Wien